Koordination und Zusammenarbeit

Geht nach Geschäftsanbahnung und erfolgreichen Verhandlungen die tägliche gemeinsame Projektarbeit los, treten Unterschiede in der Kultur nochmals deutlicher zutage. Immer wieder tauchen kleinere Probleme und Unstimmigkeiten auf. Vor allem werden Sie sich fragen: ›Wieso ticken die Dänen anders und wie ticken sie eigentlich?‹

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Die Antwort ist, dass sie mit anderen Werten sozialisiert worden sind. Ein wichtiger Punkt ist dabei das dänische Bildungssystem. Bereits in Kindergarten und Schule wird sehr darauf geachtet, dass die Kinder zu guten Mitgliedern einer Gemeinschaft – das ist mehr bzw. enger als eine Gesellschaft – werden. So wird zum Beispiel nicht zugelassen, dass Kinder bei ihrer Geburtstagseinladung bestimmte andere Kinder ausschließen. Es werden entweder alle Kinder aus der Klasse eingeladen oder aber alle Mädchen bzw. alle Jungen. Niemand darf sich ausgegrenzt fühlen. Weiter geht es im einzügigen Schulsystem, in dem alle von sechs bis 16 Jahren in einer Schule bzw. Klasse zusammenbleiben.

Heraus kommt dabei eine hierarchiearme Erwachsenengesellschaft, in der alle mit allen relativ ehrlich und direkt kommunizieren. Es führt auch zu mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft bzw. Gemeinschaft und bringt Auswirkungen auf das Wertesystem mit sich. Wer sich auf Koordination und Zusammenarbeit mit dänischen Projektpartnern in kultureller Hinsicht vorbereiten möchte, dem sei die Beschäftigung mit Geert Hofstedes Kulturdimensionen empfohlen. Sie geben viele Hinweise darauf, wie die Dänen ticken. Hofstedes Dimensionen sind ein Klassiker. Darüber hinaus lassen sich aus dem Modell der amerikanischen INSEAD-Professorin Erin Meyer vor allem zum Thema Kommunikation einige wichtige Dinge ableiten.

Beziehung zwischen Chef und Mitarbeitern

In Dänemark ist der gefühlte Unterschied zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten – die ›Machtdistanz‹ – sehr gering. Das bedeutet in der Praxis, dass Mitarbeiter offen mit ihren Chefs umgehen. Das tun sie auch gegenüber ihren deutschen Projektleitern. Sie erstarren nicht in Ehrfurcht vor der höheren Hierarchiestufe und bringen Dinge, die in der Zusammenarbeit nicht klappen, unverblümt zur Sprache. Im Zweifel bringen sie auch zur Sprache, was ihnen am Chef nicht passt oder was er besser und anders machen könnte.
Ein deutscher Geschäftsmann sagte mir einmal, die Dänen würden sich so verhalten, als ob sie alle miteinander zur Schule gegangen seien und mit alten Klassenkameraden sprächen. Dafür ist Dänemark zwar zu groß, aber die Aussage hat trotzdem einen wahren Kern. Das bereits erwähnte einzügige Schulsystem bedeutet am Ende auch eine geringe Distanz zwischen z. B. Handwerkern und Vorstandsvor sitzenden großer Unternehmen. Und das Jante Gesetz – ›Glaube nicht, dass du etwas Besonderes bist!‹ – (Lesen Sie mehr hier) sagt dem Vorstandsvorsitzenden auch deutlich, dass er nicht besser ist. Deswegen reden alle mit allen, locker und trotzdem respektvoll.

Überschaubare Planung

Dänen gehören zu den optimistischsten und glücklichsten Menschen der Welt. Das fördern Jahr um Jahr verschiedene Forschungsinstitute zutage. Darüber hinaus ist Dänemark die Gesellschaft, in der Menschen am meisten Vertrauen zu ihren Mitmenschen haben. Bei der Hofsted’schen Kulturdimension ›Unsicherheitsvermeidung‹ erreicht Dänemark unter allen Nationen mit den niedrigsten Wert. Denn Dänen glauben, dass sich die Dinge immer zum Guten wenden bzw. dorthin wenden lassen. Daraus spricht auch ein gewisses Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. Dementsprechend wird nur überschaubar viel vorausgeplant.

Der Umgang mit Pannen und Fehlern ist in der Folge ebenfalls recht locker, es wird viel improvisiert. ›Det skal nok gå‹ – ›Es wird schon irgendwie gehen‹, umschreibt diese Einstellung. Hieraus können Konflikte in der Projektzusammenarbeit mit deutschen Kollegen entstehen. Sie sind nämlich damit aufgewachsen, dass die Zukunft minutiös geplant wird und man zur Unsicherheitsvermeidung neben Plan A auch gerne noch einen Plan B und C haben sollte.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

In Dänemark gibt es weder den Ausdruck noch die Praxis, dass der eine Ehepartner dem anderen ›den Rücken freihält‹, damit dieser Karriere machen kann. Männer und Frauen haben in etwa dieselben Rechte und Pflichten. In der Terminologie von Hofstede ist die ›Maskulinität‹ in der Gesellschaft sehr gering. Das führt dazu, dass beide Partner beruflich weiterkommen können und sich Männer neben dem Job auch intensiv um ihre Kinder kümmern (müssen). Unter anderem begrenzt dies den Arbeitstag bzw. die physische Präsenz am Arbeitsplatz. Dementsprechend höre ich öfter, dass sich deutschsprachige Geschäftsleute darüber wundern, wenn sie dänische Kollegen oder Mitarbeiter um kurz nach 16 Uhr nicht mehr erreichen können, etwa weil sie die Kinder aus dem Hort oder dem Kindergarten abholen. Eine gewisse Flexibilität im Denken wird dem deutschen Chef oder Geschäftspartner damit abverlangt.

Die Dänen wiederum legen ebenfalls eine gewisse Flexibilität an den Tag, um die Erfordernisse von Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. So gehört es zur Normalität, dass man nach dem frühzeitigen Verlassen des Arbeitsplatzes und den familiären Verpflichtungen noch mal den Laptop zur Hand nimmt und das bis dahin Unerledigte aufarbeitet. Es kann also sein, dass der dänische Vertriebsmitarbeiter für den deutschen Einkäufer zwar um 16.15 Uhr nicht mehr zu erreichen war, aber um 23 Uhr wieder auf Sendung ist und die gewünschte Antwort kommt. Denn bei aller von Deutschen wahrgenommenen Lässigkeit sind Dänen pflichtbewusst und erledigen ihre Arbeit.

Unterschiede im Arbeitsstil

Die dänische Kultur hat einen Arbeitsstil hervorgebracht, der sich von dem in Deutschland in einigen wesentlichen Punkten unterscheidet. So arbeiten Dänen tendenziell selbstständiger, flexibler und kreativer. Trotzdem sind sie pflichtbewusst und termintreu, effektiv und effizient. Verpasste Deadlines kommen daher selten vor, zumindest dann, wenn diese als verbindlich kommuniziert wurden. Ein anderes Ergebnis geringer ›Maskulinität‹ ist die dänische Kooperationsgesellschaft, in der sich Menschen privat, aber auch bei der Arbeit eher unterstützen als miteinander zu konkurrieren. (Siehe dazu hier.) Für die Zusammenarbeit mit dänischen Unternehmen folgt daraus beispielsweise auch, dass projektrelevante Informationen bereitwillig geteilt werden.

Dänen machen sich gerne über bestimmte deutsche Eigenschaften und die Deutschen im Allgemeinen lustig. Sofern Sie regelmäßig in Dänemark zu tun haben, hören Sie deshalb wahrscheinlich oft den Satz ›Ordnung muss sein‹. Dabei setzen die Dänen offensichtlich in vielerlei Hinsicht selbst sehr darauf, dass Dinge ordentlich gemacht und geregelt werden. Ein Beispiel sind Zahlungsfristen und Mahngebühren: Skonto ist so gut wie unbekannt, weil Rechnungen schlicht sofort bezahlt werden müssen. Und wenn in Deutschland für verspätete Zahlungen Mahngebühren in Höhe von 5 Euro erhoben werden, dann sind in Dänemark gerne 35 Euro fällig. Ordnung muss nämlich wirklich sein und die Strafe für Unordnung ist entsprechend. Trotzdem schaffen es die Dänen in allen Situationen, auf Deutsche sehr lässig und locker zu wirken. (Siehe dazu mehr hier.) Es gilt jedoch: Die dänische Lockerheit ist diszipliniert.

In der Zusammenarbeit mit Dänen sollte man – aber das gilt im Grunde fast überall auf der Welt – die Erwartungen aneinander klar abstimmen. Wenn das geschehen ist und die kulturellen Unterschiede im Arbeitsstil verstanden und akzeptiert sind, steht einer fruchtbaren Kooperation nichts im Wege. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang auch betont, dass sich Dänen und Deutsche gut ergänzen: Während die Dänen das kreative Element in eine Zusammenarbeit einbringen, stehen die Deutschen für Ordnung und Planung. Das Ergebnis ist oft eine sehr gute Performance.