Führung und Motivation

Dänemark ist ein Land der Gleichheit und Nivellierung. Das gilt auch für den Arbeitsplatz, wo der Vorgesetzte Erster unter Gleichen bzw. der leitende Teil eines Teams ist.

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Das kann sich unter anderem darin zeigen, dass der Geschäftsführer einer mittelgroßen Organisation kein eigenes Büro hat. Das baut noch einmal Barrieren ab in Unternehmen, in denen die Hierarchien flach sind und der gefühlte Abstand zwischen den Ebenen gering ist. (Mehr zum Thema Machtdistanz finden Sie hier.) Vorgesetzte haben nicht allein durch ihre Stellung den Respekt der Mitarbeiter, sie müssen sich diesen durch gute Leistung erarbeiten.

Aufgaben der Führungskraft

In dänischen Unternehmen ist der Führungsstil meist partizipativ. Die Führungskraft organisiert das Team sowie die Findung von Entscheidungen und Lösungen. Eine gute Führungskraft wird außerdem Aufgaben und Ziele der Mitarbeiter gemeinsam mit ihnen definieren. Die Mitarbeiter sind dann so weit wie möglich eigen verantwortlich für die Umsetzung und Zielerreichung zuständig, sie arbeiten generell eigenständig, effektiv und verantwortungsbewusst.

Dänische Chefs sprechen respektvoll und sachorientiert mit ihren Mitarbeitern. Dänische Mitarbeiter wiederum sprechen frei und selbstbewusst mit ihren Vorgesetzten. Kritik von Vorgesetzten an Mitarbeitern wird sorgfältig dosiert und sachbezogen vorgetragen. Eine wichtige Führungsaufgabe besteht auch darin, im Büro eine gute Atmosphäre zu erzeugen. Ein morgendlicher Bürorundgang des Chefs mit Fragen nach dem Wochenende oder nach aktuellen Urlaubsplänen gehört genauso dazu wie die Zurverfügungstellung eines großzügigen Budgets für Sommerausflug und Weihnachtsessen. Die Kenntnis der persönlichen Lebensumstände der Mitarbeiter und ihre Beachtung ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt.

Deutsche Führungskraft in einem dänischen Team

Als deutsche Führungskraft in einem dänischen Team arbeiten Sie zunächst einmal gegen bestehende Vorurteile an: Deutsche gelten als ›firkantet‹ ‒ ›inflexibel‹, regelorientiert, hierarchisch und humorlos. Dementsprechend ist es auch relativ leicht, positiv zu überraschen! Vermeiden Sie ein ›chefmäßiges‹ Auftreten. Sprechen Sie von ›Kollegen‹ statt von ›Mitarbeitern‹, hören Sie aufmerksam zu und seien Sie nahbar, positiv und heiter. Bestehen Sie auf keinen Fall auf die Anrede mit ›Sie‹ und Nachnamen. (Mehr dazu hier.)

Wie in Artikel "Koordination und Zusammenarbeit" beschrieben, wird in Dänemark nicht so intensiv geplant wie in Deutschland. Mit Problemen beschäftigt man sich, wenn sie auftreten, und nicht vorbeugend in einem Plan B oder C. Dies kann von deutschen Vorgesetzten in Dänemark schnell als überzogene Lässigkeit falsch ausgelegt werden. Die relativ genaue Einhaltung von Arbeitszeiten und das akkurate Abfeiern von Überstunden (›afspadsering‹ – ›Abspazieren‹) ist für deutsche Vorgesetzte ebenfalls gewöhnungsbedürftig. In Dänemark geht man pünktlich nach Hause und nimmt den Überstundenausgleich. Das verlangt die familiäre Rücksichtnahme. (Vereinbarkeit von Beruf und Familie, siehe dazu hier.)

Als deutsche Führungskraft in Dänemark sollten Sie sich mit Kommentaren über die dänische Arbeitswelt erst einmal zurückhalten. Es kann nämlich sehr leicht der erste Eindruck entstehen, dass in Dänemark zu wenig oder mit zu wenig Engagement gearbeitet wird. Tatsächlich steht dem ausgeprägten Wunsch nach Work-Life-Balance jedoch eine hohe Effizienz und Effektivität gegenüber.

Mitarbeitermotivation

Die Einkommenssteuer ist in Dänemark sehr hoch und die Gehaltsentwicklung verläuft flach. Zudem geht es allen Leuten wirtschaftlich relativ gut. Der Faktor extrinsische Motivation durch mehr Gehalt ist dementsprechend wohl schwächer ausgeprägt als in Deutschland. Das bedeutet jedoch nicht, dass zum Beispiel Boni keine Rolle spielen.
Wichtiger ist aber die intrinsische Motivation, die durch eine interessante Arbeit und das Gefühl, zu einer guten Organisation etwas beizutragen, entsteht. Die persönliche Entwicklung des Mitarbeiters ist ebenfalls wichtig. Um diese sicherzustellen, werden in dänischen Organisationen zur Jahresmitte Mitarbeiterentwicklungsgespräche (medarbejder udviklings samtaler) geführt. Weitere wichtige intrinsische Faktoren sind ein angenehmes Arbeitsklima und eine gute Work-Life-Balance.

Dänische Arbeitnehmer haben wegen des geringen Kündigungsschutzes niemals einen ›sicheren Arbeitsplatz‹. Zudem sind Dänen veränderungswillig und damit auch bereit, das Unternehmen zu verlassen. Die Mitarbeitermotivation und damit -bindung an das Unternehmen hat deswegen in Dänemark einen besonders hohen Stellenwert.

Personalsuche und -auswahl

Dänische Organisationen schreiben ihre Stellen auf den gängigen Online-Plattformen aus. Bewerbungen werden per E-Mail eingereicht. Sie enthalten meist ein Motivationsschreiben und einen Lebenslauf sowie die wichtigsten Zeugnisse. Darüber hinaus werden Referenzen angegeben, die der neue Arbeitgeber üblicherweise nutzt.

Im Unterschied zu Deutschen in Vorstellungsgesprächen sind dänische Bewerber bei der Herausstellung ihrer positiven Eigenschaften zurückhaltend. Sie berichten jedoch gerne davon, welche Empfehlungen ihnen die Gewerkschaft für die Bewerbung und die Verhandlungen gegeben hat. Ein Beispiel: ›Meine Gewerkschaft hat mir gesagt, dass ich 35.000 Kronen verdienen soll, wenn ich zwei Fremdsprachen kann.‹ Solche Aussagen der Bewerber in Jobinterviews irritieren deutsche Manager regelmäßig. Sie müssen sich daran gewöhnen.